Mit dem Begriff Kryptozoologie (griech. „Lehre von den versteckten Tieren“) bezeichnet man die Untersuchung und Klassifizierung von zoologisch nicht bekannten Tierarten allein aufgrund von Indizien, Mythen und Zeugenberichten. Der Begriff wurde in den 1950er Jahren von dem belgischen Zoologen Bernard Heuvelmans (1916-2001) geprägt.
Im Zentrum des kryptozoologischen Interesses stehen Großtiere, die entweder als sagenhaft oder als lange ausgestorben gelten. Zu diesen sogenannten Kryptiden gehören das Ungeheuer von Loch Ness, der Yeti, Bigfoot, der Mokéle Mbèmbe (ein Dinosaurier, der angeblich in den Urwäldern Zentralafrikas lebt), überlebende Moas in Neuseeland und mehrere Arten von Seeschlangen. Von einigen „seriösen“ Kryptozoologen abgelehnt, bei Laien aber sehr beliebt ist die Suche nach zoologisch eher unwahrscheinlichen Kryptiden wie etwa Nixen, Mottenmännern und dem Chupacabras („Ziegensauger“, ein lateinamerikanisches Fabeltier, das Haustiere töten und ihr Blut trinken sollen).
Als Quellen dienen den Kryptozoologen anekdotische Belege, Augenzeugenberichte, Mythen und Legenden, ferner Fotos und Filmaufnahmen von oft schlechter technischer Qualität, zudem werden vermeintliche Fußabdrücke und andere mehrdeutige Spuren vorgelegt. Die Kryptozoologie ist jedoch bislang jeglichen wissenschaftlichen Beweis für die Existenz all der behaupteten Lebewesen schuldig geblieben, die Heuvelmans in einer Checkliste bereits in den 1990er Jahren klassifiziert hat.
Anders als in der wissenschaftlichen Zoologie bei der Beschreibung einer neu entdeckten Art üblich, wurde nie ein lebendes oder totes Exemplar eines Kryptiden beigebracht. Einwandfrei identifizierte Knochen und andere Relikte fehlen ebenfalls. Die Kryptozoologie hat daher bislang keinen Beitrag zum Erkenntnisfortschritt in der Zoologie geleistet.
Kryptozoologen halten die Entdeckung der Kryptiden dennoch für wahrscheinlich, weil auch die wissenschaftliche Zoologie täglich neue Tierarten entdeckt. Diese Argumentation übersieht jedoch, dass sich diese Spezies stets in das bekannte zoologische Klassifikationsschema einfügen und ökologisch plausibel sind. Auf Kryptiden treffen diese Merkmale nicht immer zu. Lebewesen wie Nixen und Mottenmänner sind aus Sicht der Zoologie hochgradig unwahrscheinlich, der schottische See Loch Ness verfügt nicht über genug Biomasse, um eine stabile Population von mehrere Meter großen Tieren zu ernähren. Einige der in eher unzugänglichen Gebieten vermuteten Großtiere könnten dennoch existieren.
Hinzu kommt, dass das Fach grundlegende Mechanismen der Wahrnehmungspsychologie ebenso vernachlässigt wie Erkenntnisse der Erzählforschung. Statt „Sichtungsberichte“ korrekt als kulturell geprägte Interpretationen von Ereignissen zu erkennen, wertet sie diese fälschlicherweise wie Tatsachenberichte.
Inge Hüsgen, Ulrich Magin, Dr. Martin Mahner
Link:
Cryptomundo (krzytozoologische Webseite von Loren Coleman)
Literatur:
Ulrich Magin: Die „Wissenschaft“ der Kryptozoologen. Oder: Wie der Schlaf des Mythos Ungeheuer gebiert. Skeptiker 3/99, S. 106-113.
Stand: 15.03.2009