„Ghosthunter“-Teams durchstreifen mit allerlei technischem Gerät alte Gemäuer und Ruinen – auf der Suche nach Geistern. Was hat es mit diesem neuartigen Phänomen auf sich, das aus England und Amerika zu uns herüber geschwappt ist? Wir waren bei einer „Spuknacht“ auf Schloss Fürsteneck in Niederbayern.
Bernd Harder
Afra Dickh ist eine junge, vaterlos aufgewachsene Bauernmagd aus der Gegend von Ringelai im Bayerischen Wald. 1703 findet sie sich vor einem Hexentribunal am fürstbischöflichen passauischen Pfleg- und Landgericht Fürsteneck wieder. „Afra hatte 42 Fragen zu beantworten, aufgrund derer sie erzählt habe, wie sie mit dem Teufel bekannt und vertraut wurde, wie sie mit seiner Kraft Zutritt zu allen Behausungen und Stallungen fand, wie sie Kühe verzauberte und so Milch, Rahm und Schmalz in großen Mengen gewann“, entnehmen Historiker den Prozessprotokollen. „Sie habe auf einer Gabel nächtliche Ritte unternommen und mit fremden Mannspersonen, darunter Böhmen, wilde Gelage gefeiert. Zuletzt soll sie den Gebrauch der Hexensalbe zugegeben haben.“
Wegen Zauberei und Brandstiftung wird Afra Dickh am 1. Juni 1703 hingerichtet und hernach auf einem Scheiterhaufen zu Asche verbrannt – ein Opfer von Aberglauben und üblen Machenschaften.
Schauplatz der "Spuknacht": Schloss Fürsteneck bei Passau. Die Anlage existiert seit dem 12. Jahrhundert, seit 1929 befindet sie sich im Privatbesitz.
Geisterhafte Erlebnisse von Gästen und Personal
Mehr als drei Jahrhunderte später, in einer warmen Sommernacht anno 2009, legt der Mond einen fahlen Glanz über den so genannten Hexenhügel bei Schloss Fürsteneck. Rockmusik von einem nahen Dorffest weht heran. Kein guter Zeitpunkt, um geisterhafte Präsenzen wahrzunehmen. Lucia und Frederik versuchen es trotzdem. Beide sind Falluntersucher bei CEPI (Central European Paranormal Investigations), einer Organisation, die sich „mit der Erforschung paranormaler Phänomene befasst“.
Lucia betätigt den Schalter ihres Aufnahmegeräts und formuliert in die blauschwarze Dunkelheit hinein einige Fragen an die unglückliche Bauernmagd Afra, die noch heute als Weiße Frau durch und um das Schloss geistern soll. „Bist du da?“ Keine Antwort. Nur das Rascheln des Windes in den Baumwipfeln. Sollte Afra Dickh sich verständigen wollen, „können diese Stimmen meistens nur auf Band gehört werden und nicht live während der Untersuchung“, heißt es in einem Informationsblatt, das den Teilnehmern zu Beginn der „Spuknacht“ ausgehändigt worden ist. „Die Aufnahmen müssen oft mit speziellen Computerprogrammen gefiltert und verstärkt werden, um sie hörbar zu machen.“
In regelmäßigen Abständen lädt CEPI Neugierige und Interessierte zu einer „echten Geisterjagd mit einem Team von Geisterjägern“ ein. Schauplatz ist Schloss Fürsteneck, 20 Kilometer nördlich von Passau gelegen. 1190 errichtete der Passauer Fürstbischof Wolfger von Erla das romantische Waldschloss als Grenzbefestigung gegen die bayerischen Herzöge. Seit 1929 befindet sich die Anlage in Privatbesitz.
„Geisterhafte Erlebnisse wurden sowohl von Bewohnern als auch Gästen und Personal des Schlossgasthofes berichtet“, heißt es auf der Webseite von spuknacht.de. „Es wurden wiederholt unerklärliche Geräusche wie zum Beispiel Schritte von den Bewohnern der Burg berichtet“, präzisiert die Infoschrift, die Lucia zum Auftakt der rund fünfstündigen Veranstaltung kurz referiert. „Die jetzige Pächterin der Schlossgaststätte konnte zudem einmal beobachten, wie eines der Fenster im Gastraum, das sie kurz zuvor verschlossen hatte, wieder geöffnet wurde.“ Wie von Geisterhand.
Das technische Equipment der CEPI-Untersucher Frederik und Lucia reicht vom Infrarotthermometer über Videokameras bis hin zu EMF-Geräten.
Infrarotthermometer und EMF-Detektor
Artikel wie dieser beginnen in der Publikumspresse gerne mit „Wenn ich von Anfang an gewusst hätte, worauf ich mich mit dieser Geschichte einlasse, hätte ich den Auftrag vielleicht abgelehnt“ (1), und dann folgt ein horribel-bizarres Szenario à la „Das Geisterschloss“ – ob wahr oder gut erfunden. Die Veranstalter der „Spuknacht“ dämpfen dagegen schon im Vorfeld übermäßig hohe Erwartungen: Leider gebe es keinerlei Garantie dafür, dass die Geister sich heute Nacht zeigen werden. „Da es sich um eine authentische Untersuchung paranormaler Phänomene handelt, werden keine Tricks angewandt oder Dinge inszeniert. Falls sich etwas ereignen sollten, sind es reale Geschehnisse, die wir dokumentieren möchten“, erklären Lucia und Frederik. Beide tragen ein schwarzes T-Shirt mit dem breiten „CEPI“-Schriftzug und einer aufgedruckten Lupe, in der ein Geist zu sehen ist. Ähnlichkeiten mit dem bekannten „Ghostbusters“-Logo sind wohl beabsichtigt.
Ansonsten jedoch hat das CEPI-Team eher wenig mit den Filmhelden Venkman, Stantz und Spengler (2)gemeinsam – außer vielleicht einer gewissen Technikbegeisterung. „Wir werden alles an technischem Gerät aufbieten, was möglich ist, um vielleicht doch einen kleinen Einblick in die Geisterwelt zu erhaschen“, steht in der Teilnehmerinformation.
Und tatsächlich schleppt Frederik einen schweren Alu-Koffer auf den Dachboden des Schlosses, wo mit Einbruch der Dunkelheit die Geistersuche beginnt. Es riecht nach frischem Holz. Nach Staub und der Wärme des verdämmernden Tages. Erst kürzlich ist hier renoviert worden – was die Manifestation seltsamer Erscheinungen durchaus begünstigen soll, da „Umbaumaßnahmen oder generell bauliche Veränderungen im Haus Spukphänomene provozieren können“, heißt es im CEPI-Infomaterial. Die Ausrüstung der Falluntersucher besteht unter anderem aus einem Infrarotthermometer, einem EMF-Detektor für elektromagnetische Felder, digitalen und analogen Fotoapparaten und Aufnahmegeräten, einer Videokamera mit Nachtsichtmodus und handlichen Bewegungsmeldern.
Während Frederik den Gästen (ein Paar und der Skeptiker-Reporter) die Geräte erklärt, baut Lucia in einer dunklen Ecke des Dachbodens eine Geisterfalle auf: Verschiedene Gegenstände – ein Kreuz, ein Ring, ein Würfel, eine Münze und ein Stein – werden auf einem Blatt Papier drapiert und ihre Umrisslinien mit einem Stift nachgezeichnet. Im Abstand von zirka einem halben Meter wacht ein auf dem Boden aufgestellter Bewegungsmelder über das Stillleben. Wozu das Ganze? Unter dem Stichwort „Intelligente Geistererscheinungen“ findet sich folgende Erklärung in der „Spuknacht“-Handreichung: „Intelligente Geistererscheinungen … können sowohl ortsgebunden als auch frei beweglich sein. Diese sind in der Lage, uns wahrzunehmen und mit uns zu interagieren. Offenbar besitzen einige auch die Fähigkeit, ihre Umwelt physisch zu beeinflussen, zum Beispiel Gegenstände zu bewegen.“
Lucia baut eine Geisterfalle auf. Ein Bewegungsmelder wacht über das Stillleben aus verschiedenen Gegenständen, deren Umrisslinien auf dem Blatt Papier, auf dem sie liegen, nachgezeichnet worden sind. In dieser Nacht kann jedoch keine geisterhafte Aktivität registriert werden.
TV-Comeback als Geisterjäger
Nur wenige Tage vor der „Spuknacht“ auf Schloss Fürsteneck war es Ex-Dschungelkönig6 Ross Antony (3), der dem deutschen Fernsehpublikum ein vergleichsweise neuartiges Phänomen näherbrachte: Geisterjagd als Hobby.
„Harry-Potter-Fans wissen es längst: Auf jeder Burg und in jedem Schloss gibt es Gespenster“, verlautbarte „Super RTL“ zum Spezial von „Geisterjäger Ross Antony“, das am 23. Juli 2009 ausgestrahlt wurde. „Doch was ist dran an diesen Spukgeschichten? Gibt es wirklich Gespenster? Und trägt jeder Geist schwere Ketten, die in der Nacht so schrecklich rasseln? Bestens vorbereitet und mit allerlei Messgeräten im Gepäck lässt der mutige Geisterjäger sich in die unheimlichsten Spukschlösser einschließen.“
Was die wenigen (4) Zuschauer indes zu sehen bekamen, gemahnte bestenfalls an eine unfreiwillige Parodie auf die „Hui-Buh“-Filme. Als „pseudowissenschaftlichen Mystery-Trash“ geißelte Die Welt das geistlose Unterfangen, „neben dem noch die Verdummungsshows eines Uri Gellers wie anspruchsvolle Unterhaltung erscheinen“. Und der Blog „Fernseh-Kritik“ amüsierte sich über die „müde Allerweltsgeschichte … von einer durch einen Grafen geschwängerten Nonne, die später lebendig von der Gräfin eingemauert wurde. Solch eine Story gehört heute ja zu jeder Burg dazu und lockt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Anders Ross Antony, der total auf die lahme Geschichte abfährt. Toll, wenn ein 35-jähriger sich eine naive Kindlichkeit bewahrt hat.“9 Doch es ist nicht nur der stets leicht überspannt wirkende Sänger, Schauspieler und Moderator Ross Antony, der „mit einem Rucksack voller elektronischer Geräte als Ghostbuster zu seiner ersten Mission“ aufbricht (Die Welt). In ganz Deutschland haben sich Dutzende von Geisterjägervereinen gebildet – eine Zeiterscheinung, die bislang vor allem im anglo-amerikanischen Raum erstaunlich verbreitet ist. Die Motive der Mitglieder dürften dabei von jugendlicher Sehnsucht nach Action und Nervenkitzel bis hin zur leidenschaftlich-tröstlichen Suche nach Beweisen für ein Leben nach dem Tod reichen. „Unbeirrbar treffen sie sich immer wieder auf Friedhöfen und in Spukhäusern, lauschen in die Stille und starren in die Nacht“, schreibt etwa die Süddeutsche Zeitung. „Ab und zu, so sagen sie, schaffen sie es sogar, einen Hauch des Übernatürlichen auf Tonband und Foto zu bannen.“
Dem Eiskeller von Schloss Fürsteneck haftet eine Atmosphäre von Gruft und Alter an - ein idealer Tummelplatz für Geister?
In der Starre der Ewigkeit
Auch auf Schloss Fürsteneck? Die Sonne ist inzwischen ganz verschwunden, als die kleine Gruppe um die beiden CEPI-Ermittler Lucia und Frederik sich vom Dachboden des Gebäudes zum Eiskeller aufmacht – ein Bauwerk außerhalb des Schlossportals, das früher zum Aufbewahren von Eis für einen Brauereibetrieb genutzt wurde. Im Dunkeln wirkt der Weg dorthin wie ein schmaler Tunnel. Der Himmel zeigt eine sommerliche Klarheit, ab und zu zwinkert ein heller Stern.
Frederik sperrt die massive Tür auf. Fast schlagartig umfängt uns frostige Kälte. Aus der lauen Nachtluft geht es nun in die Starre der Ewigkeit. Hier, in den hohen steinernen Räumen des Eiskellers, haben sich schon mehrfach unerklärliche Dinge zugetragen, berichtet Lucia. Mit einer Dame aus einer Teilnehmergruppe stand sie in einer Ecke der kleinsten und abgelegensten Kammer der weitläufigen, halb unterirdischen Anlage. „Die Temperatur fiel für zirka fünf Minuten um zwei Grad, um dann wieder auf den Normalwert anzusteigen. Während dieser ganzen Zeit hatten wir beide das Gefühl, als durchliefen uns schwache elektrische Impulse. Der Gast meinte später dazu, dass Etwas durch sie hindurchgegangen sei.“
Ein anderes Mal ging das Kameralicht plötzlich ohne erkennbaren Grund aus. „Die Stromversorgung wurde jedoch nicht unterbrochen und die Kamera filmte weiterhin den einzigen Eingang zum Raum. Auch die Glühbirne war intakt. Der Ein- und Ausschaltknopf ist zudem schwer zu betätigen. In derselben Nacht ereignete sich noch etwas: Sowohl ich als auch Frederic hörten ein heulendes Geräusch, das sehr laut direkt neben uns zu hören war. Wir befanden uns jedoch in unterschiedlichen Räumen des Kellers.“
So wie die Teilnehmergruppe jetzt. Für einige Minuten ist jeder mit sich allein. Taschenlampe aus. Sofort scheint die Normalität abgelöst zu werden. Die Augen tasten umher wie beim „Blinde-Kuh“-Spielen. Die Finsternis ist klebrig und undurchdringlich, wie dichter schwarzer Filz. Fraglos wohnt den Mauern des Eiskellers eine Atmosphäre von Gruft und Alter inne. Aber sonst?
Die kalte Stille wirkt eher friedlich als beängstigend. Es riecht nach einem Hauch von Moder, aber alles ist ganz normal. Die Schatten bewegen sich nicht. Kein unheimliches Reich, in dem die lebende Welt nichts verloren hat. Nach einer Weile schrumpft der höhlenartige Raum zu einem winzigen Ausschnitt der Realität zusammen. Anscheinend kann man auch von Dunkelheit geblendet werden. Kaum flammt die Taschenlampe wieder auf, wird sichtbar, dass alles ganz anders ist, als in der vollkommenen Schwärze um die Augen ausgemalt.
Kontakt mit Drüben? Auch eineSéance auf dem Dachboden des Schlosses erbringt keinen Beweis für die Existenz übernatürlicher Wesen. Allerdings ist dieser Programmpunkt eher als Unterhaltung gedacht.
Spukforschung im Hampton Court Palace
Mitunter jedoch scheinen auch akademisch-wissenschaftliche Spukforscher an ihre Grenzen zu stoßen. Caroline Watt, Senior Research Fellow an der Koestler Parapsychology Unit (KPU) der Universität von Edinburgh, sagte unlängst der Zeitschrift freundin: „Vor einigen Jahren richteten wir anlässlich eines Seminars eine Séance aus. Die Location war passend gewählt: ein viktorianisches Haus mit knarzenden Dielen und unzähligen Winkeln. Ich sollte alles vorbereiten und war allein in dem alten Gemäuer. Als ich fertig war, dimmte ich das Licht und setzte mich in einen Lehnstuhl, um auf die anderen zu warten. Plötzlich hörte ich dumpfe Schritte, als durchquerte jemand seelenruhig den Raum. Mir war schlecht vor Angst, ich zitterte vor Kälte, war wie gelähmt. Als ich es zum Lichtschalter schaffte, war das Zimmer leer. Und meine Kollegen schwören Stein und Bein, mich nicht auf den Arm genommen zu haben.“
Als besonders „spooky“ unter Großbritanniens Gemäuern gelten Hampton Court Palace südwestlich von London sowie die South Bridge Vaults in Edinburgh. 2003 machte sich der Psychologe Dr. Richard Wiseman von der Universität Hertfordshire daran, das Geheimnis zu lüften. In einem groß angelegten Experiment gingen 462 Testpersonen den „Spuk-Korridor“ von Schloss Hampton Court ab. Dieser Gang soll von Catherine Howard, der 1542 hingerichteten fünften Frau Heinrichs VIII., heimgesucht werden. Unzählige Menschen wollen der Erscheinung in den letzten 500 Jahren in der Galerie vor dem Zimmer Heinrichs VIII. begegnet sein.
So auch diesmal: Etwa jeder zweite Teilnehmer der Studie berichtete über „ungewöhnliche Erfahrungen“. Manche meinten, die Anwesenheit einer unsichtbaren Person gespürt zu haben. Anderen war unvermittelt ein kaltes Schaudern über den Rücken gezogen. Einige gaben sogar an, berührt worden zu sein. Die meisten fühlten sich einfach unwohl. An anderen düsteren Orten empfanden die Probanden dagegen nichts Ungewöhnliches, auch wenn sie vorher nicht wussten, welche Lokalität für Gespenster bekannt war. Selbiges wiederholte sich bei einer zweiten Studie in den Edinburgh Vaults.
„Spuk existiert in dem Sinne, dass es in der Tat Orte gibt, an denen Leute ungewöhnliche Erlebnisse haben“, folgerte Wiseman. Um sich Gewissheit zu verschaffen, rückte der ehemalige Meisterzauberer den historischen Bauwerken mit Temperaturscanner, Magnetfeldmessern und Lichtsensoren zu Leibe. Das Ergebnis: Genau an diesen besagten Orten detektierte Wiseman gehäuft starke Kälteschwankungen, plötzliche Lichtveränderungen oder durch zugemauerte Türen pfeifende Winde.
Auch Infraschall könnte für manchen Spuk in Burgen und Schlössern verantwortlich sein. Solche extrem tiefen Töne bilden sich zum Beispiel, wenn der Wind sich durch Kamine, Spalten und Schießscharten in alten Burgen drückt. Zwar sind die Laute zu tief für das menschliche Gehör, sie können in ausreichender Lautstärke jedoch große Resonanzräume des Körpers wie die Bauchhöhle in Schwingungen versetzen.
Wiseman jedenfalls ist davon überzeugt, dass angeblicher Spuk keinen Beweis für eine Aktivität von Geistern darstellt. Er sei vielmehr die Reaktion von Menschen, die – auch ganz unbewusst– auf normale Faktoren in ihrer Umgebung reagieren. Wie etwa „Cold Spots“, also Bereiche mit abruptem Temperaturabfall, als ob man gegen eine kalte Wand läuft.
Was "Geister" eigentlich sind, darüber verbreiten "Ghosthunter"- Webseiten die abenteuerlichsten Theorien.
John Sinclair oder Richard Wiseman?
Der Begriff „Cold Spots“ taucht auch in den „Spuknacht“-Infos auf – verknüpft mit einer wohl eigenwillig zu nennenden Theorie: „Es handelt sich dabei um einen plötzlichen und unerklärlichen Temperaturabfall von mehreren Grad Celsius. Wenn ein Bereich eines Raumes plötzlich, in Relation zur Umgebung und ohne erkennbaren Grund, kalt wird, könnte das ein Zeichen für die Anwesenheit eines Geistwesens sein oder es könnte sich um eine sich gerade manifestierende Erscheinung handeln … Die Erklärung dafür ist, dass Geister Energie benötigen, um sich zu manifestieren und sichtbar zu werden. Deshalb entziehen sie ihrer näheren Umgebung Energie … Oftmals wird berichtet, dass nach einer ,geisterhaften‘ Begegnung neue Batterien plötzlich leer sind, wodurch batteriebetriebene Geräte wie zum Beispiel Videokameras lahmgelegt werden.“
Im Forum der Webseite allmystery.de diskutieren ehemalige „Spuknacht“-Teilnehmer ebenfalls solche Phänomene: „Andere Erlebnisse betrafen … eine Taschenlampe, deren Energie ständig abgesaugt wurde und nicht mehr funktionierte, ein Tonbandgerät, das selbst nach dreimaligem Wechseln der Batterien nicht mehr funktionierte etc. Übrigens, die Geräte funktionieren jetzt wieder tadellos.“
Nach dem Abstecher in den Eiskeller befinden sich die Teilnehmer wieder auf dem Dachboden von Schloss Fürsteneck. In zwei kleinen Gruppen durchstreifen wir den geräumigen Speicher, bewaffnet mit Infrarotthermometer und E-Feld-Meter. Eine gute Gelegenheit für eine gedämpfte Plauderei im Halbdunkel, etwa zum Thema „Cold Spots“: Wie können die CEPI-Untersucher sicher sein, dass ihre Messinstrumente tatsächlich auf Spuk ansprechen und nicht etwa auf ganz natürliche Kälteregionen? „Unsere Geräte haben bislang noch keinen sicheren Beweis für die Existenz von Geistern geliefert“, erklärt Frederik bereitwillig. Oft jedoch hätten er und seine Kollegen starke elektromagnetische Felder aufgespürt, welche die vermeintlich geisterhaften Phänomene gut erklären konnten. Also mehr Richard Wiseman als John Sinclair (5)? Frederik zieht Ockhams Rasierklinge hervor: „Wir achten darauf, zunächst alle natürlichen Ursachen auszuschließen, bevor wir nach alternativen Erklärungen suchen.“
Da liegt natürlich die Frage nahe, ob die Suche nach „alternative Erklärungen“ schon einmal notwendig geworden ist, sprich: Existiert denn überhaupt ein Geister-Phänomen? „In unserem Team gingen anfangs die Meinungen darüber, ob es Geister tatsächlich geben kann, sehr auseinander“, erzählt Frederik. „Mittlerweile ist jedoch die Mehrheit von uns davon überzeugt, dass es diese nicht gibt. Bislang konnten wir die meisten Phänomene aufklären. Je länger man sich mit dem Thema beschäftigt, desto skeptischer wird man.“
Eine nächtliche Erscheinung am Bett
Tatsächlich bekommt dies auch das Paar in der Teilnehmergruppe zu spüren. In der Schlossgaststätte machen wir eine Pause. Begeistert berichten die beiden von dem Bruno-Gröning-Film „Auf den Spuren des Wunderheilers“, stoßen damit bei dem CEPI-Duo jedoch allenfalls auf höfliche Anteilnahme. Interessant wird es, als die junge Frau, mutmaßlich in den Mitt-Dreißigern, von einer seltsamen nächtlichen Erscheinung an ihrem Bett erzählt. Frederik bringt eine mögliche Schlafparalyse ins Spiel, begleitet von hypnagogen oder hypnopompen Halluzinationen.
Und eine Schmuckkette, die plötzlich ohne ersichtlichen Grund, einfach so, von einem Möbelstück fällt? Ob vielleicht eine Straßenbahn vorm Haus vorbeigefahren sei und Erschütterungen ausgelöst hat, gibt Lucia zu bedenken. Mag sein, mag nicht sein – jedenfalls kann man den beiden „Spuknacht“-Organisatoren nicht nachsagen, überglücklich hinter jedem Grabstein einen Geist zu entdecken. Dass elektronische Stimmenphänomene (Electronic Voice Phenomena/EVP) auf vielfältige Art und Weise zustande kommen können – beispielsweise durch amplitudenmodulierte Hochfrequenzsignale von Rundfunk, Kurzwelle oder CB-Funk sowie durch illusionäre Verkennung und Pareidolien (6) – ist der CEPI-Handreichung immerhin ebenso zu entnehmen wie ein Hinweis auf die Fragwürdigkeit so genannter Orb-Fotos (7). Bleibt noch das nächste Programmsegment der „Spuknacht“: das Quija-Board.
Warum gehen Jugendliche und Erwachsene auf Geisterjagd? Die Motive liegen irgendwo zwischen Nervenkitzel und der tröstlichen Vorstellung von einem greifbaren Jenseits.
Wer ist Josef Rito?
Manche nennen es auch „Witchboard“ oder „Hexenbrett“. Das funktioniert so ähnlich wie Gläserrücken, mit einem Brett aus Holz, auf dem die Buchstaben des Alphabets, die Zahlen von 1 bis 9 und die Wörter „Ja“ und „Nein“ aufgemalt sind. Anstelle des Glases benutzen die Teilnehmer eine Art Zeiger, die so genannte Planchette, welche die Zeichen ansteuert. Man legt den Finger darauf und wartet, bis das spiritistische Hilfsmittel sich auf dem Brett hin und her bewegt. Das tut es denn auch, schon nach kurzer Zeit. Erst langsam, zögernd. Als wüsste das dreieckige Holzplättchen noch nicht, wohin es will. Zentimeter um Zentimeter gleitet die Planchette über das Quija-Board. Da es sonst keiner tut, stellt Lucia ein paar Fragen an etwaige unbekannte Entitäten in der Dachkammer. Sehr ernst scheint die CEPI-Untersucherin die Séance selbst nicht zu nehmen. Gegenüber dem High-Tech-Equipment des Teams nimmt sich diese Form der jenseitigen Kontaktaufnahme seltsam anachronistisch aus. Aber was wäre eine „Spuknacht“ ohne ein wenig unterhaltsamen Gruselspaß?
Die Planchette beschreibt ein paar Kurven, macht Kehrtwendungen rückwärts und peilt gemächlich mal ein „J“, mal ein „E“ oder ein „R“ an – oder auch die Leerräume dazwischen. Etwas Sinnvolles ergibt die Kette der Buchstaben nicht. Mit etwas Phantasie kann man einen Namen daraus scrabbeln: „Josef Rito“ oder „Rifto“.
Bei der Nachbereitung der „Spuknacht“ wird Lucia später recherchieren, dass es mindestens zwei historisch nachweisbare Personen des Namens Josef Rito gab. Beide lebten um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert. Beide wanderten nach Amerika aus. „Vermutlich kommt der Name in Ungarn noch häufiger vor“, teilt Lucia den Teilnehmern auf der „Spuknacht“-Homepage mit. Und: „Ob es sich bei der Ouija-Brett-Sitzung um einen echten Kontakt der übernatürlichen Art oder doch nur um unbewusste Muskelkontraktionen gehandelt hat, bleibt damit leider ungewiss.“
Wieso „leider“? Ist dieses Bedauern eher als Konzession an die Teilnehmer der nächtlichen Veranstaltung und deren diffuse Erwartungshaltung zu werten? Oder ist CEPI letztendlich doch auf der Suche nach Gespenstern?
„Unser Ziel ist es vor allem, vermeintlichen Spukopfern die Angst zu nehmen und ihnen alternative, also natürliche Erklärungsmodelle zu liefern“, sagen Lucia und Frederik. Die beiden „Spuknacht“-Organisatoren sind überzeugt, zur Entlastung etwa von Beratungs- und anderen Anlaufstellen für Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen beitragen zu können – wenn man etwa bedenke, „wie viele solcher Erlebnisse sich entweder als Scherz oder als Produkt einer überreizten Phantasie herausstellen. Mit unseren Methoden können wir Fälle angeblich paranormaler Aktivität meist recht gut aufklären. Nur ein sehr geringer Prozentsatz entzieht sich unseren Erklärungsversuchen.“
Schlösser, Hexen und Dämonen
Wohl nur wenige Fans des Paranormalen und „Ghosthunter“-Gruppen im deutschsprachigen Raum teilen diesen Ansatz. „Glauben Sie an Gespenster, Geister und übernatürliche Dinge? Nein? Lassen Sie sich auf diesen Seiten eines Besseren belehren“, springt beispielsweise die Homepage gespensterweb.de den Leser an: „Auf den Webseiten von GespensterWeb wurden (und werden) viele Fakten zusammengetragen, die eindeutige Hinweise für die Existenz von Wesen aus der Schattenwelt liefern.“
„Gibt es Geister?“, heißt es im Intro von geister-und-gespenster. de. Die Frage ist allerdings rein rhetorischer Natur. „Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die sich weder wissenschaftlich noch mit dem reinen Verstand erklären lassen. Dazu gehören Spuk, Spukorte wie z. B. Schlösser, Geister, Poltergeister, Hexen, Dämonen, Geistererscheinungen …“
Eine umfassende „Ghosthunter-Area“ hat das Online-Portal geisternet.com eingerichtet. „Paranormale Investigatoren“ erklären hier zum Beispiel „das Ghosthunter-Equipment und die Geisterjäger-Ausrüstung.“ Diverse Medienauftritte werden ebenso ausführlich geschildert (8) wie verschiedene „PU’s“ (Paranormale Untersuchungen). Schauplatz einer Geisterjagd waren etwa die imposanten Ruinen des Benediktinerklosters zu Hirsau im Nordschwarzwald. Das liest sich dann, etwas holprig, so:
„Erzählt wird von Bewohnern, dass man dort mehrmals eine brennende Frau gesehen haben soll. Es soll sich um eine junge Frau handeln, bei der ein Exorzismus betrieben worden sein soll und ein Teil dessen wohl eben in dieser Kirche. Sie starb dabei. Diese Geschichte wird allerdings nur hinter vorgehaltener Hand und von den etwas älteren Einheimischen erzählt. Man findet dazu nur sehr schwer Informationen. Was an dieser Ereignis dran ist, wollten wir, das Team Paranormaler Forschung BW, nachprüfen …“
Zunächst tut sich wenig: „Den ersten Rundgang mit Videoaufnahmen und Fotos und diversen Messungen machten wir gemeinsam. Wir schritten das komplette Gelände noch einmal ab. Bei diesem Rundgang fiel uns aber nichts Außergewöhnliches auf und auch die Messungen brachten nichts Ungewöhnliches zu Tage.“
Erst mit Einbruch der Dunkelheit wird es spannend: „Als das zweite Team, in dem ich selbst war, an der Kirche ankam, wurden wir schon aufgeregt erwartet. Man machte uns sofort auf einen Torbogen aufmerksam, an dem wohl was nicht stimmen sollte. Das erste Team zog sich dann nach einer kurzen Besprechung zurück, damit wir das Ganze ebenfalls mal untersuchen sollten, damit zwei Meinungen vertreten waren.“
Dann ereignet sich Folgendes:
„Zwei Teammitglieder sahen an dem Torbogen eine Frau vorbeilaufen. Als man schnell nachsah, war diese allerdings wieder verschwunden, obwohl man von dem Standort aus sie noch hätte sehen müssen. Ein Teammitglied sah einen Arm mit Schulter und Hand hinter dem Torbogen verschwinden. Berichtet wurde von ALLEN (Hervorhebung im Original; Anm. d. Autors) ebenso ein ungutes, nervöses Gefühl. Außerdem wurden an der Mauer auf diesem Teilstück Schatten gesichtet die man sich nicht erklären konnte.
Ein Teammitglied glaubte einmal eine deutliche Frauenstimme gehört zu haben neben sich. War sich aber nicht ganz sicher. Als ich durch diesen Torbogen schritt, machte ich ein paar willkürliche Fotos. Plötzlich erschrak ich, denn links neben mir erschien eine helle Wolke. Ich drückte instinktiv nochmal auf den Auslöser der Kamera …“
Insgesamt macht die Gruppe bei ihrer Geistersuche in den Ruinen der alten Abtei „etwa 600 Fotos, zwei Videofilme, zehn EVPs (Electronic Voice Phenomena, Tonbandstimmen-Aufnahmen, Anm. d. Autors)“.
Wissenschaftliche Experimente haben ergeben: Spuk existiert in dem Sinne, dass es Orte gibt, an denen Menschen ungewöhnliche Erlebnisse haben.
Sind es Geisterstimmen, die manchmal auf Tonbändern zu hören sind? Physiker und Wahrnehmungsforscher haben eher profane Erklärungen für sogenannte Electronic Voice Phenomena.
Techno-Mystizismus in der Laienforschung
„Techno-Mystizismus“ nennt der Kulturwissenschaftler und Spezialist für Technik- und Mediengeschichte John Potts (9) dieses Treiben von Ghosthunter-Gruppen, deren Mitglieder sich – meist ohne akademische Ausbildung, aber technisch hochgerüstet – der „Aufklärung“ von Spukfällen widmen. „Obwohl eigentlich harmlos“, werfen solche Laien-Forscherteams auch nach Ansicht des Psychologen Dr. Gerhard Mayer, Mitarbeiter am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) in Freiburg, einige Probleme auf (10): „Dies betrifft vor allem die Auswirkungen, die die Aktivitäten dieser Gruppen via Massenmedien auf die seriösen wissenschaftlichen Versuche der Auseinandersetzung mit dem Themenfeld haben.“
Was aber sind „wissenschaftlich seriöse Versuche der Auseinandersetzung“ im Bereich Spuk und Geister? Von wenigen Ausnahmen wie Richard Wiseman, Caroline Watt und anderen abgesehen gibt es keine Wissenschaftler, die sich im akademischen Forschungsbetrieb mit dem Paranormalen beschäftigen. Und Neugier und Forschungsdrang ist nichts, was Skeptiker auch nur ansatzweise unterbinden sollten.
Forschung darf eindeutig von Laien betrieben werden – in der Biologie zum Beispiel tragen hobbymäßige Insekten- und Pflanzensammler nicht wenig zur Systematik, Ökologie und Biogeografie bei, ebenso wie Amateurastronomen Kometen entdecken oder Nichtfachleute in der Regionalgeschichtsforschung reüssieren. Diese Art von Laienforschung folgt indes entsprechenden Standards beziehungsweise den bekannten wissenschaftlichen Spielregeln.
Das Hauptproblem auf umstrittenen Themenfeldern wie etwa der „Geistersuche“ ist weniger die Laienforschung, sondern die Tatsache, dass es keine allgemein anerkannte und verbindliche Methodiken und Theorien gibt (11). Und das führt dazu, dass Laienforschung im Bereich des Paranormalen (12) nicht selten mit Privattheorien und -methoden daherkommt, die von Beliebigkeit
nicht zu unterscheidenden sind.
Was Geister eigentlich sein sollen, darüber verbreiten die einschlägigen Internetforen von paranormal.de bis spiritrelease.ch unbekümmert Mutmaßungen, von denen keine eine höhere Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen kann als eine x-beliebige andere: auf die Erde zurückkehrende Seelen? Tote, die sich noch nicht aus ihrem weltlichen Leben lösen wollen oder können? Gestalt gewordene Gedanken von Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten? Nicht-menschliche Lebewesen, Kreaturen aus einer anderen Dimension? Außerirdische? Psychokinetische Energien? Gerade bei der Untersuchung von stark subjektiven Phänomenen, von Phänomenen mit sehr geringen (oder nicht vorhandenen) Effektstärken und von unregelmäßig auftretenden, nicht replizierbaren Effekten müssen aber besonders viele Vorsichtsmaßnahmen gegen Fehlinterpretationen getroffen werden. Auch von einer sinnvollen wahrnehmungspsychologischen Einordnung der zahlreichen Augenzeugenberichte sind die meisten „Ghosthunter“ weit entfernt. Fairerweise muss man allerdings dazusagen, dass auch Gruppen mit ernsthaft-seriösem Anspruch (deren Motivation meist eigene vermeintlich unerklärliche Erlebnisse und die Suche nach Erkenntnis zugrunde liegen) zwischen allen Stühlen sitzen: belächelt von den Skeptikern, misstrauisch beäugt von den Parapsychologen, ihren vermeintlichen Verbündeten, und untereinander nicht selten uneins über die Frage nach Richtlinien für eine gemeinsame Vorgehensweise.
Wie man sich Trübes zum Fischen schafft
Dr. Joe Nickell, Senior Research Fellow bei der amerikanischen Skeptikerorganisation CSI, hat in den vergangenen vier Jahrzehnten zahllose scheinbar unerklärliche Vorfälle untersucht, darunter auch berühmte Spukfälle wie etwa Amityville oder Myrtles Plantation. Zu seiner Ausrüstung sagte er im Skeptiker-Interview: „Im Grunde nehme ich nur das mit, was ich benötige, um das Beweismaterial zu sichern – eine Kamera, Taschenlampe, Notizbuch, spezielle Fragebögen. Manchmal, wenn die Umstände es erfordern, auch Zusätzliches, etwa eine Lupe.“ Und was ist mit Trifield-Meter oder Mikrowellen-Prüfgerät?
„Ich rate sogar davon ab, eine wissenschaftliche Ausrüstung für die Geisterjagd zu verwenden, weil diese Geräte nicht dafür entwickelt worden sind und nicht nachgewiesen ist, dass sie für solche Untersuchungen überhaupt geeignet sind“, erklärt der berühmte Para-Detektiv, dem Hollywood mit dem Mysterystreifen „The Reaping“ (2007) ein filmisches Denkmal gesetzt hat. „Viele Geisterjäger tun es trotzdem. Aber in den meisten Fällen fehlt ihnen die wissenschaftliche oder technische Ausbildung, um zu verstehen, was ihre sensiblen und fehleranfälligen Geräte denn nun eigentlich genau anzeigen. Manchmal spricht High-Tech-Equipment ganz simpel auf einen Fehler in der Elektroinstallation des Hauses an, sie detektieren mitnichten irgendeine geisterhafte Energie.“
Übertrieben? Wenn „Ghosthunter“-Gruppen im Fernsehen zu sehen sind – etwa das Team von „North Carolina Paranormal Research and Investigations“ bei n-tv oder die „Paranormal Research Group Hamburg“ im ARD-Nachtmagazin – kann der Zuschauer deren Methodik recht gut verfolgen: Man schafft sich Trübes zum Fischen.
Oder anders gesagt: „Man besucht finstere, unheimliche Orte, benutzt alle möglichen Messgeräte und Kameras und sucht damit nach ,Geistern‘ – also nach irgend etwas in den Aufzeichnungen, das merkwürdig oder auf den ersten Blick unerklärlich aussieht“, analysiert der Physiker und freiberufliche Unternehmensberater Dr. Holm Hümmler, Mitglied der GWUP: „Je mehr Messkanäle man dazu aufbaut, desto eher kommt so etwas vor: von der Fliege vor der Linse über digitale Aufzeichnungsprobleme bis hin zum eigenen Flüstern, das aus dem Nachbarzimmer zum Mikrophon getragen und dann beim extremen Verstärken entsprechend verzerrt wird. Ein Gerät misst, was es misst, und das ist eben manchmal interpretationsbedürftig.“
Runde, halbtransparente "Objekte" sind recht häufig auf Fotos zu sehen. Geisterforscher schließen hier auf eine Form von Ektoplasma, nüchterne Zeitgenossen auf überaus natürliche Kamera-Effekte.
Unerklärlich? Paranormal? Aberglaube?
Die „Spuknacht“ auf Schloss Fürsteneck geht gegen ein Uhr nachts zu Ende. Ein letzter Abstecher zum Hexenhügel. Die Volksfestmusik hat aufgehört zu spielen. Aber allenfalls Büsche und Sträucher wirken wie gemalte Gespenster, die sich nur bewegen, wenn der Wind sie berührt. Etwas Auffälliges ist nicht zu fühlen, auch nicht die Präsenz der vor 300 Jahren als Hexe verurteilten Bauernmagd Afra Dickh.
Lucia erzählt von einem Vorfall aus der jüngsten Zeit – von einer Tonbandaufnahme, die mittels eines digitalen Aufnahmegerätes innerhalb eines Faradaykäfigs in einer kleinen Kapelle entstand: „Es gab lediglich einen Eingang zur Kapelle, dieser war verschlossen und davor standen mehrere Leute, darunter ich selbst. Wir hatten die geschlossene Tür immer im Blick. Es war niemand innerhalb der Kapelle, das wurde gründlich kontrolliert. Auf der Tonbandaufnahme hört man deutlich Schritte und das laute Schieben von etwas Schwerem über den Steinboden. Für diese Geräusche lauten Möbelrückens konnten wir noch keine befriedigende Erklärung finden.“ Was aber nicht heiße, dass es sich um etwas Paranormales gehandelt hat, betont die CEPI-Untersucherin.
Auf der Webseite von „Central European Paranormal Investigations“ findet sich unter anderem der Menüpunkt „Methods & Theories“. Zwei namentlich nicht genannte Physiker tragen dort wissenschaftlich sauber vor, dass die Existenz von Geistern „physikalisch unmöglich zu sein“ scheint. Und dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht einmal eine konkrete Geisterdefinition gebe. Nichtsdestotrotz werden auch künftig „Spuknächte“ auf Schloss Fürsteneck stattfinden. „So lange niemand bereit ist, sich mit diesem Thema zu befassen“, verabschieden sich Lucia und Frederik, „treibt der Aberglaube weiterhin die seltsamsten Blüten.“
INFOS: www.spuknacht.de
Fußnoten:
(1) So z. B. die Reportage „Besuch aus dem Jenseits“ in P.M. Perspektive 1/2008, S. 58-65.
(2) Ein dritter Teil von „Ghostbusters“ soll 2012 in die Kinos kommen.
(3) 2008 wählten die Zuschauer Ross Antony zum Gewinner der RTL-Show „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“.
(4) Die Sendung erreichte in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen die für Super RTL unterdurchschnittliche Prime-Time-Einschaltquote von 2,5 Prozent.
(5) "Geisterjäger John Sinclair" ist eine populäre Figur aus einer Heftromanserie im Bastei-Verlag.
(6) Vgl. z. B. Harder, B. (2005): Geister, Gothics, Gabelbieger, S. 105-108. Alibri, Aschaffenburg.
(7) Vgl. z. B. www.focus.de/wissen/wissenschaft/mensch/tid-10052/paranormales-vs-wissenschaft-geister-auf-digitalen-fotos_aid_303173.html
(8) Z. B. „Auf Geisterjagd mit den Hamburger Ghostbusters“ in Bild vom 16.8.2008 oder eine Untersuchung im Rahmen der RTL-2-Doku-Reihe „Frauentausch“ im Februar 2009: „,Frauentausch‘ ordert Geisterjäger“.
(9)Potts, J. (2004): Ghost hunting in the twenty-first century. In James Houran (Ed.), From Shaman to Scientist: Essays on Humanity’s Search for Spirits (pp 211 – 232). Lanham, MD: Scarecrow Press.
(10) Zit. nach Zeitschrift für Anomalistik, Band 8 (2008), Nr. 1 + 2 + 3, S. 164.
(11) Mit Ausnahme vielleicht der Parapsychologie, die bestimmte methodische Standards hat, diese aber anscheinend mehr und mehr aufweichen möchte. So fordern etwa Robert Jahn und Brenda Dunne explizit, „die Regeln zu ändern”, siehe hierzu Jahn RG, Dunne BJ (2008): Change the Rules! In Journal of Scientific Exploration 22: 193 – 213.
(12) Siehe dazu auch: „Laienforschung und Wissenschaftsanspruch“ in: Zeitschrift für Anomalistik, Band 5 (2005), S. 126 – 135, online unter www.anomalistik.de/kommentar_hoevelmann.pdf
(13) www.geisternet.com/GhostHunterArea/ > Hauptmenü > Öffentlichkeitsarbeit.
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