Kaum ein Publikumsmedium hat es sich in den vergangenen Monaten nehmen lassen, über den kommenden Weltuntergang zu berichten: Am 21. Dezember 2012 geht der Mayakalender zu Ende, Sonnenstürme und Polverschiebungen führen zu Chaos, der Planet Nibiru kollidiert mit der Erde, ein Supervulkan bricht aus und die Maya-Gottheit Bolon Yokte‘ K‘uh steigt auf die Erde hinab… Das komplette Weltuntergangsprogramm, ein Ende der Welt, wie wir sie kennen.
Es ist nicht das erste Mal in der jüngsten Zeit, dass unspektakuläre Ereignisse als Kristallisationskern für Endzeitängste dienen. Als 1997 der Komet Hale-Bopp am Himmel erschien, begingen die Anhänger der Ufo-Sekte "Heaven’s Gate" Massensuizid. 1999 wurden die schaurig-rätselhaften Weissagungen des Nostradamus als apokalyptische Begleitmusik zur totalen Sonnenfinsternis in Europa aus dem Archiv hervorgekramt. Und vor gerade mal vier Jahren, bei der Inbetriebnahme des Teilchenbeschleunigers LHC am Kernforschungszentrum CERN, befürchtete so mancher die Entstehung kleiner schwarzer Löcher, die die gesamte Erde verschlingen können.
"Keine Panik!"
Nun soll also der nächste Weltuntergang vor der Tür stehen. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Schreckenskulisse als Luftnummer: Der Mayakalender endet nicht am 21.12.2012, es beginnt einfach nur der nächste Zyklus der so genannten „Langen Zählung“. Weder vom Zwergplaneten Eris noch vom geheimnisvollen Nibiru geht eine Gefahr für die Erde aus. Und Konzepte zur Berechnung von umfassenden Neuerungsschüben wie Timewave Zero sind schließlich kaum mehr als Hirngespinste und zu keiner ernsthaften Vorhersage zu gebrauchen. Einzelne Details können anders beurteilt werden als noch vor wenigen Jahren: So sind Sonnenstürme durchaus in der Lage, die Stromversorgung zu beeinträchtigen. Insgesamt gilt aber, was der Astronom und Blogger Florian Freistetter als Titel für sein Buch über den Weltuntergangshype wählte: „Keine Panik!“.
Wie er argumentieren Fachleute aber vergeblich wider falsche und irreführende Vorstellungen; zu verführerisch scheint die Mischung aus Ver-Rätseln und Nicht-ganz-Hinterfragen. Während der Laie über angeblich zutreffende Vorhersagen staunt und bang auf astronomische Schreckenszenarien wartet, können Historiker, Astronomen und Mesoamerikanisten uns ein sehr viel differenzierteres, beruhigendes Bild für den 21.12.2012 in Aussicht stellen: So gab es im Laufe der Jahrhunderte bei den Maya gleich mehrere Kalendersysteme (ein neues wurde erst in diesem Jahr entdeckt), und ein Weltuntergang lässt sich nur mit viel Phantasie in die wenigen erhaltenen Texte hineininterpretieren.
Das Ende eines kalendarischen Zeitraums war für die Maya auch nicht gleichbedeutend mit dem Untergang der Welt. Und astronomische Vorgänge, wie z. B. eine bestimmte Planetenkonstellation, sind meist auch nicht auf einen einzigen Tag beschränkt. Damit können die Akten über diese vorübergehende Hysterie um ein, objektiv betrachtet, völlig unspektakuläres Datum geschlossen werden. Inzwischen wird der Weltuntergang nicht mehr so pessimistisch gesehen – auch das ein Erfahrungswert beim Umgang mit Endzeitpropheten: Je näher das Datum rückt, desto eher handelt es sich alles um ein Missverständnis: Kein Untergang, vielmehr ein Neuanfang, eine spirituelle Transformation oder ähnliches.
Partyalarm!
Hat der Hype wenigstens den angeblichen Urhebern – den Maya – zu Aufmerksamkeit verholfen? Wohl kaum: Sie dienten nur als Stichwortgeber und Leinwand, auf die ganz zeitgenössische Ängste und Gefühle projiziert werden: Altes Wissen! Blutrünstige Rituale! Versunkene Kulturen! Die Welt ist schlecht! Sie wird sich wandeln! Diese Zutaten ergeben zusammen mit weiteren Versatzstücken (Planet X, Timewave Zero) den gerade angesagten Weltuntergangscocktail. Bis das Datum im üblichen Vorweihnachtsrummel untergeht und eine andere versunkene Kultur für die nächste Apokalypse herhalten muss. Den Nachfahren der vielzitierten weisen Maya geht der Rummel um den Weltuntergang eher auf die Nerven. So wurde der Mayaälteste Apolinario Chile Pixtun wiederholt mit den Worten zitiert, er habe die ständigen Fragen nach dem Weltuntergang satt. Der Weltuntergang sei ein westliches Konzept und beruhe nicht auf dem Glaubenssystem der Maya. Interessierte können sich aber auf wirklich gute Literatur freuen. Die geht fast in den 2012-Wühltischen unter, weswegen wir sie aus diesem Anlass für den Weihnachtseinkauf zusammengestellt haben (siehe unten).
Doch der Hype hat auch sein Gutes: Er liefert einen willkommenen Grund, sich dem Weihnachtsrummel etwas zu entziehen und wie üblich das Wochenende mit einer zünftigen Party einzuleiten. Für diese Zielgruppe sind in vielen Städten im deutschsprachigen Raum Weltuntergangspartys geplant.
Jochen Bergmann
Literatur
- Comicgate-Magazin 7. Wenn die Welt untergeht – die Comics und das Ende, Pfeiffer und Kögel GbR, Heidenheim 2012, ISBN: 978-3-981372939, € 6,50.
- Florian Freistetter: 2012 – Keine Panik. Jmb, Hannover 2012, ISBN 978-3940970381 €14,95.
- Nikolai Grube: Maya: Gottkönige im Regenwald. Ullmann, Potsdam 2012, ISBN-13: 978-3848000333, € 39,99.
- Nikolai Grube, Thomas Bürger: Der Dresdner Maya-Kalender. Der vollständige Codex. Herder Verlag, Freiburg u. a. 2012, ISBN 978-3451333323, € 19,99.
- Bernd Harder: 2012 – oder wie ich lernte, den Weltuntergang zu lieben: Leitfaden für Endzeit-Liebhaber. Herder, Freiburg u. a., 2011, ISBN 978-3451304187,€ 14,95.
- Maarten Keulemans, Jörn Pinnow: Exit Mundi: Die besten Weltuntergänge. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2010, ISBN 978-3423346177, € 9,90.
- Hugo Stamm: Im Bann des Maya-Kalenders: Endzeithysterie in Sekten und Esoterik. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2012, ISBN 978-3579066745, € 19,99
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Dieser Beitrag stammt aus dem "Skeptiker" 4/2012.