"Das ist Teddybären-Okkultismus"
Interview mit Wolfgang Hund
Worum geht es den neuen Hexen?
Die neue Hexen-Welle kommt ursprünglich aus der Feminismus- und Ökologie-Bewegung und ist deshalb zunächst auch von den entsprechenden Ideologien geprägt gewesen. Das hat sich in letzter Zeit geändert. Jetzt stehen einfach durchzuführende magische Rituale im Vordergrund, wie die momentan erhältlichen „Zauberbücher für Frauen" zeigen.
Woran können Eltern erkennen, dass ihre Tochter sich als Hexe fühlt?
Das klassische Erkennungszeichen gibt es nicht. Wie so oft sind aber starke Wesensveränderungen zu beobachten, zum Beispiel Abbruch alter Freundschaften, rein schwarze Kleidung, Gestalten des eigenen Zimmers in schwarz, magischer Schmuck, okkulte Gegenstände im Zimmer. Im Prinzip das, was auch für die Satanisten-Szene gilt.
Drückt sich darin echte Überzeugung aus?
Meist ist das „Teddybären-Okkultismus" mit vielen Versatzstücken, die man sich in der Jugendpresse oder anderswo besorgt hat und völlig unreflektiert verwendet. Eine Art Geisterbahn zum Nulltarif. Im Gegensatz zur etablierten Religion „tut sich da was", ist Action drin.
Dadurch wird es attraktiv für die Jugendlichen?
Auch, ja. Das Hauptmotiv ist aber schlicht Neugier. Die meisten Jugendlichen lassen das denn auch nach relativ kurzer Zeit wieder, weil es seinen Reiz verloren hat.
Also können die Eltern gelassen reagieren?
Wenn Eltern glauben, ihre Tochter sei in merkwürdige Gesellschaft geraten, dann muss das thematisiert werden. Und zwar nicht so, dass das Ganze verteufelt wird, weil sonst gleich Konfrontation entsteht. Eltern müssen sich also erst mal über das Thema informieren, damit sie als glaubwürdige Gesprächspartner akzeptiert werden. Ein weiterer Ratschlag ist, das neue Interessengebiet ernst zu nehmen. Wenn man das gleich als Unfung abtut, gehen bei den Jugendlichen sofort die Rolläden runter.
Sind die heutigen Hexen gefährlich?
In Einzelfällen habe ich erlebt, dass bei psychisch labilen Jugendlichen magische Praktiken schlimme Folgen haben können. Es ist halt sehr einfach, aber auch gefährlich, die Verantwortung für das eigene Leben abzugeben an äußerst obskure Leute, die keinerlei psychologische Ausbildung besitzen, sich aber erdreisten, Lebenshilfe zu geben. Die Mechanismen sind die gleichen wie beim Gläserrücken oder der Astrologie: Immer werden einfache Antworten auf sehr komplizierte Fragen versprochen, die den Anwender solcher okkulten Praktiken von der Verantwortung für das eigene Leben entlasten. Darüber hinaus halte ich es für eine arrogante Anmaßung, sich als Hexe zu bezeichnen, nur weil es „in" ist - angesichts der in früheren Zeiten als Hexe ermordeten Frauen.
Das Hauptanliegen scheint mir dabei zu sein, Macht über andere Menschen auszüben sowie auf einfache Art Geld zu verdienen. Mag sein, dass im Hintergrund auch Hilfen zur Selbstverwirklichung und zur Linderung psychosomatischer Krankheiten mitgeliefert werden - mit fließendem Übergang zur Geistheiler-Szene.
Wolfgang Hund ist Okkultismus-Beauftragter des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes und gehört dem GWUP-Wissenschaftsrat an.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 1/2001.