Die kritische Exegese hat erwiesen, dass alle vier kanonischen Evangelien zwischen den Jahren 70 und 100 in griechischer Sprache abgefasst wurden. Die Autoren waren keine Augenzeugen, ihre Namen sind unbekannt. Bei den Titeln („nach Markus“ usw.) handelt es sich um Vermutungen aus dem zweiten Jahrhundert. Das früheste von ihnen, das Markusevangelium, wurde von den Autoren des Matthäus- und des Lukasevangeliums voneinander unabhängig umgearbeitet. Das wahrscheinlich späteste ist das stark abweichende Johannesevangelium. Sein Autor kannte die früheren Evangelien wahrscheinlich nicht, doch lieferten seine Quellen wohl dennoch teilweise ähnliches Material wie die Quellen der älteren Evangelien. Noch später entstand die vom Autor des Lukasevangeliums verfasste Apostelgeschichte. Das früheste erhaltene Zeugnis der Auferstehung findet sich in den Paulusbriefen; die vor allen Evangelien entstanden. Es unterscheidet sich vollkommen von dem der Evangelien.
Letzteres wirft viele Probleme auf. Schon vor hundert Jahren konnte der Züricher Neutestamentler Paul Schmiedel in einem theologischen Nachschlagewerk aufzeigen, dass die Osterberichte der Evangelien „unüberbrückbare Diskrepanzen enthalten". (Schmiedel 1899) Sogar der vatikanische Neutestamentler Fr. O'Collins gibt zu, dass der Osterglaube nicht nur von historischen Kenntnissen, sondern zum Teil von „der Gnade einer inneren, göttlichen Erleuchtung“ abhängt. (O’Collins 2003)
Vier verschiedene Geschichten
Die vier Evangelien stimmen in der Behauptung überein, dass Jesus gekreuzigt wurde und anschließend auferstanden ist. Aber bei solch einer zentralen Glaubensaussage ist dieses Minimum an Übereinstimmung in der Vorstellung von vielen Gläubigen zu erwarten. Es handelte sich wohl nicht um bewusste Fälschungen, wie auch die Geschichten der Heldentaten von Herakles oder Wilhelm Tell keine bewussten Fälschungen waren.
Die Diskrepanzen in den Evangelienberichten entstanden, weil die verschiedenen Evangelisten jeweils unterschiedliche theologische Zwecke verfolgten. Im Markus-Evangelium verkündet ein weißgekleideter „Jüngling" den Frauen beim leeren Grab in Jerusalem, dass Jesus auferstanden ist und in Galiläa seinen Jüngern erscheinen werde. Für Lukas ist Jerusalem von höchster theologischer Bedeutung; es steht für die ununterbrochene Kontinuität zwischen dem Christentum und seinen jüdischen Wurzeln. Daher streicht er kurzerhand die lnstruktion (Mk. 16: 7), die Jünger sollten die 100 km lange Reise nach Galiläa unternehmen, um ihren auferstandenen Herrn zu sehen. Stattdessen konzentriert er das ganze Ostergeschehen auf Jerusalem und lässt den Auferstandenen den Jüngern befehlen, dort zu bleiben (24: 49). Matthäus hingegen folgt dem Markusbericht und lässt Jesus den Jüngern vor seinem Tode sagen: „Wenn ich auferstehe, will ich vor euch hingehen nach Galiläa" (26: 32). Also „gingen sie nach Galiläa auf einen Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte", und dort sahen sie ihn.
Der Berner Neutestamentler Martin Werner kommentierte: „Derart widersprüchliche Berichte [...] können nicht als historisch zuverlässig gelten." (Werner 1955) Dazu kommt, dass Paulus, der früheste Zeuge, überhaupt nichts von all diesen Einzelheiten zur Auferstehung weiß. Wie der Textkritiker Keith Elliott formuliert. Und „außerhalb des Neuen Testaments gibt es kein unabhängiges Zeugnis des Ostergeschehens." (Elliott 1982)
Lukas möchte den Leser überzeugen, dass die Erscheinungen keine Halluzinationen waren. Deshalb lässt er den Auferstandenen zu den Jüngern sagen: „Rühret mich an und sehet: ein Geist hat ja nicht Fleisch und Bein, wie ihr es an mir sehet". Da sie immer noch nicht völlig überzeugt waren, „aß er vor ihnen ein Stück gebraten Fisches" (24: 39-42). Dennoch vermochte er sich in Luft aufzulösen und anschließend körperlich in einem Zimmer in Jerusalem zu erscheinen. Der Patristiker Maurice Wiles findet verständlicherweise, dass diese „Unterschiede an Körperlichkeit zu denken geben."(Wiles 1974) Und der Neutestamentler Emst Haenchen urteilt: „Man versteht Lukas Kapitel 24 erst dann recht, wenn man erkennt, die Auferstehungspredigt ist auf sehr starke Widerstände gestoßen", denen dort mit Realitätsbeweisen ebenso entgegengewirkt wird wie mit der Behauptung, dass selbst die Schriften – „anfangend von Mose und allen Propheten" (24: 27) – die Auferstehung als von Gott gewollt sichern. (Haenchen 1968) Trotzdem wird dort keine alttestamentliche Stelle zitiert.
Wenn wir uns Matthäus zuwenden, finden wir gleichfalls einen zweckmäßig ausgerichteten Bericht. Auf dem Berg in Galiläa sagt der Auferstandene den Jüngern: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. So gehet hin und werbet Jünger für mich bei allen Völkern, indem Ihr sie taufet auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes". Der Protestant Martin Werner kommentiert (a.a.O.): „Das Neue Testament bezeugt jedoch selbst einhellig, dass im apostolischen Urchristentum nicht nach dieser triadischen Taufformel, sondern einfach ‚auf den Namen Jesu Christi’ getauft worden ist". Und der Katholik Hans Küng findet, dass hier der Missionsbefehl genau so wie der Taufbefehl zeigt, wie die Christen ihre kirchliche Praxis auf den Auftrag des Auferstandenen zurückführten. (Küng 1976) Im frühen Christentum wurde die Völkermission sehr kontrovers diskutiert. Deshalb ließ man Jesus hier eine definitive Regelung darüber erteilen, so wie im vierten Evangelium dem Auferstandenen die Aufgabe zufällt, die Stellung Petri zu sichern. Man muss natürlich damit rechnen, dass Christen Geschichten erzählten, die ihre Glaubenssätze und ihre Praxis rechtfertigen sollten, so wie es die Heiden und Juden auch taten.
Das vierte Evangelium reduziert die Anzahl der Frauen am leeren Grab auf eine, Maria Magdalena (Kap. 20), der Jesus erscheint. Später im Text erscheint er auch den Jüngern. Dies geschieht in Jerusalem, die geschilderten Situationen unterscheiden sich von denen in den übrigen drei Evangelien. Die beiden Schlussverse dieses zwanzigsten Kapitels bilden einen feierlichen Abschluss, werden aber durch ein angehängtes Kapitel ergänzt. Dieses führt sieben Jünger ein, unter ihnen die beiden Brüder Johannes und Jakobus, die sonst in diesem Evangelium überhaupt nicht erwähnt werden, obwohl der Tradition zufolge einer von ihnen als Verfasser des ganzen Buches gilt. In diesem seltsamen Nachtrag sind die sieben Jünger nach Galiläa zurückgekehrt, um „fischen zu gehen", als hätten sie nach dem Tode Jesu alle Hoffnungen, die sie in ihn gesetzt hatten, aufgegeben – und das, obwohl er schon in dem vorangehenden Kapitel 20 als Auferstandener seinen Jüngern ihre Verzweiflung nahm, indem er in Jerusalem durch verschlossene Türen zu ihnen kam und sie mit dem „heiligen Geist" ausstattete, damit sie in ihrer Missionstätigkeit Sünden vergeben könnten. Das Verhalten der sieben in Kapitel 21 setzt voraus, dass sie nicht die geringste Ahnung von diesen überwältigenden Geschehnissen hatten. Rowan Williams, Erzbischof von Canterbury, bezeichnet dieses angehängte Kapitel als „Galilean Fantasia", ein isoliertes Fragment in einem Evangelium (Williams 1982), wo die Jünger nicht einmal mehr als Fischer auftreten.
Nicht nur die Worte des Auferstandenen unterscheiden sich von Evangelium zu Evangelium, sogar er selbst ist jeweils ein anderer. Jedes spiegelt die Ansichten und die Probleme der Gemeinde wider, der es seinen Ursprung verdankt. Deshalb ist nicht angebracht, was doch so viele Exegeten tun, nämlich ausgewählte Teile der verschiedenen Erzählungen zu einer angeblichen Einheit zusammenzufügen, denn die jeweiligen Erzählungen waren unabhängige Manifestierungen des Osterglaubens und nicht Bruchstücke einer einzigen Geschichte. Keiner der Erzähler, schrieb schon Strauß 1835, kannte und setzte voraus, was ein anderer aufzeichnete.
Und Paulus?
Zu Anfang waren nur unsichere und sehr divergierende Berichte in Umlauf. Ob Jesus in einem Einzelgrab beigesetzt wurde, oder, wie bei hingerichteten Verbrechern üblich, in ein Massengrab geworfen wurde, ist umstritten. Exegeten, die ein würdiges Begräbnis voraussetzten, haben oft behauptet, das Grab müsse tatsächlich leer gewesen sein, sonst hätten die jüdischen Behörden Apostel schnell zum Schweigen gebracht, indem sie den Leichnam vorzeigten. Aber nach der Apostelgeschichte wurde die Auferstehung erst zu Pfingsten von den Jüngern verkündet, d.h. mehrere Wochen nach dem Tod Jesu, nach einer Frist also, die eine ldentifizierung eines Leichnams unmöglich gemacht hätte. Hinzu kommt, dass die frühchristliche Gemeinde damals nur aus 120 Mitgliedern bestand (Apg. 1: 15) und, wie Küng bemerkt, ihre Predigten in einer Stadt von vielleicht 25 000 bis 30 000 Einwohnern hätten kaum Aufsehen erregt und die Behörden nicht zur Kontrolle veranlasst. Er hält die Berichte vom leeren Grab für eine „legendäre Ausgestaltung" des Wesentlichen, nämlich des „von allen Zeugen bejahten neuen Lebens Jesu aus dem Tod". (Küng 1976)
Wenden wir uns nun Paulus zu, dem frühesten Zeugen. Nach dem ersten Korintherbrief Kap. 15 starb Jesus „für unsere Sünden", wurde begraben und am dritten Tag auferweckt. Wo oder wann das alles geschah, wird nicht gesagt. Es folgt eine Liste von Personen, die Visionen des Auferstandenen gehabt haben sollen – wiederum ohne Angabe eines Wo und Wann. Die genannten Personen stimmen jedoch zum großen Teil nicht mit den Personen in den Erscheinungsgeschichten der Evangelien überein. Zur Zeit des Paulus konnte eine Vision des Auferstandenen dem Empfänger das Anrecht auf Einfluss in der Gemeinde geben (1 Kor.9: 1). Eine psychische Disposition für solche Visionen war also vorhanden.
Paulus glaubte nicht, dass Jesus mit einem normalen physischen Körper auferstanden war. In seinen Betrachtungen über das Thema Auferstehung behauptete er, dass „Fleisch und Blut nicht das Reich Gottes erben können“. Seiner Vorstellung gemäß werden die Toten nicht mit normalen Körpern, sondern „in Herrlichkeit“ erweckt werden; und Jesus „wird unsern nichtigen Leib verklären“, dass er „ähnlich werde seinem verklärten Leibe" (1 Kor. 15: 43,50: Phil. 3: 21). Die Behauptung der Apostelgeschichte (10: 41), dass der Auferstandene mit seinen Erwählten gegessen und getrunken hätte, wäre für ihn Gotteslästerung gewesen. Vielmehr scheint er angenommen zu haben, dass Jesus sofort nach seiner Auferstehung mit verklärtem Körper in den Himmel erhoben wurde. Von diesem Himmel stieg er herab, um den Menschen zu erscheinen, so wie er es für Paulus (laut Apostelgeschichte bei Damaskus) getan hat.
Das Denken der Christen zur Zeit des Paulus war von der jüdischen Apokalyptik geprägt, nach deren Lehre die Endzeit schon begonnen hatte. Das Weltende würde bald kommen, die Toten würden auferstehen und gerichtet werden. In der Auferstehung Jesu sah Paulus ein Anzeichen für Beginn dieser Endzeit. Christus war „der Erstling unter denen, die da schlafen", der erweckt wurde (1 Kor. 15: 20.23). Ein weiteres Zeichen des nahenden Endes war „die Gabe des Geistes", der Geheimnisse offenbarte – „hohe Offenbarungen", die es den Christen ermöglichten, „Weisheit", „Erkenntnis" und „Weissagung" zu verkünden, auch „mit Zungen zu reden", d.h. Unverständliches auszusprechen, dem begabte Zuhörer Sinn geben konnten.[1] Ein solcher Rausch war nach dem Neutestamentler Heikki Räisänen für diese Christen „tägliches Brot". (Räisänen 1987) Diese Situation hätte zahllose absurde Vorstellungen begünstigt. Ähnliches beobachten wir beim hemmungslosen Enthusiasmus der heutigen Pfingstbewegung, die die in der Apostelgeschichte beschriebene Pfingsterfahrung zum Muster nimmt.
Der Geist, der all diese Ekstasen bewirkte, galt als Zeichen dafür, dass Jesus lebte, und dass die Gläubigen an seinem Leben teilhatten. Das war der Nährboden für Visionen des Auferstandenen. Diese Visionen waren offenbar sehr vage. So behauptete die Apostelgeschichte beispielsweise nicht, dass Paulus eine Gestalt sah, nur dass er eine Stimme hörte und ein Licht sah, und seine Begleiter hörten nur eine Stimme (9: 3-8).
Für das urchristliche Denken war neben der Apokalyptik auch die sogenannte jüdische Weisheitsliteratur von Bedeutung. Das Buch „Die Weisheit Solomons“ erzählt von dem Typus des unschuldigen Gerechten, den seine Feinde zu einem „schändlichen Tod" verdammen, der aber dann vor ihnen als ihr Richter im Himmel erscheint, wo er „nun unter die Kinder Gottes gezählt ist". Im zweiten Buch der Makkabäer liest man von treuen Martyrern, die zuversichtlich ihre Auferstehung erwarteten. Das vierte Makkabäer-Buch ergänzt diese Hoffnungen durch die Überzeugung, der Martyrer werde anderen nützen, denn Gott werde seinen Tod als „Lösepreis" für ihre Leben, als Aussühnung ihrer Sünden betrachten.
Die Unterschiede zwischen den Auferstehungsberichten des Paulus und der Evangelisten weisen auf eine weitgehende Diskrepanz zwischen dem Jesus der frühen kanonischen Briefe (der Paulinischen und anderen) und dem Jesus der Evangelien. In den Briefen ist Jesus seinem Wesen nach eine übernatürliche Person, die kurze Zeit in menschlicher Gestalt auf Erden lebte. Gott hat ihn, seinen Sohn, „in einer Gestalt, dem sündigen irdischen Wesen ähnlich, gesandt" (Röm. 8: 3). Er ist „das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung; denn in ihm ward alles erschaffen, was im Himmel und auf Erden ist [...] und er ist vor allem, und das AII hat in ihm seinen Bestand" (Koloss. 1: 14-17). Die ersten drei Evangelien behaupten aber, dass er auf Erden als geschickter Handwerker in einer abgelegenen Provinz gelebt habe – etwa wie in Erzbischof Williams Formulierung eine antike Version eines Automechanikers in der Gegend von Basra („a car mechanic from somewhere near Basra“). Nur das vierte der Evangelien versucht, sein übernatürliches Wesen mit seinem menschlichen irdischen Leben zu verbinden (wobei das Menschliche in der Verbindung viel zu kurz kommt). Um diese zwei Jesusfiguren zu verschmelzen, müssen die Theologen eine enorme und kaum zu erwartende „christologische Entwicklung" postulieren. die schon zur Zeit des Paulus abgeschlossen war. (Tuckett 2001) Martin Hengel meinte, die Entwicklung „in dieser Periode von weniger als zwei Jahrzehnten" müsse größer gewesen sein, als in den nachfolgenden siebenhunderten Jahren.'" (zit. nach Räisänen 2010) Meiner Meinung nach handelt es sich hier jedoch um eine fundamentale Diskrepanz. Wie dem auch sei, es ist zweifellos der Fall, dass in Bezug auf die Auferstehung, genau wie in ihren Jesusbildern, die verschiedenen Bücher des Neuen Testaments sehr unterschiedliche Traditionen widerspiegeln.
Zweifel selbst bei Theologen
Am Anfang bestanden die christlichen Predigten wohl aus kurzen Formeln, wie „der Herr ist erstanden“. Später stützte man diese Postulate, wie im ersten Korintherbrief, mit Listen von Personen, die angeblich Erscheinungen erlebt hatten. Noch später wurden Beschreibungen von Erscheinungen, wie in den kanonischen Evangelien, hinzugefügt. Schließlich, wie im apokryphen Petrusevangelium, wird die Auferstehung des Herrn selbst beschrieben. Die Evangelien – kanonische und apokryphe – bezeugen eine Flut von lokalen Traditionen. Der Glaube, Jesus sei auferstanden, basierte also ursprünglich auf dem Zeugnis von Visionen und wurde später durch konkrete Berichte erweitert (leeres Grab, ein Jesus mit Fleisch und Bein, usw.). Die Visionen können psychologisch erklärt werden, die Berichte sind apologetisch.
So sollte es nicht überraschen, dass viele Geistliche Zweifel hegen. William Temple, der damalige Erzbischof von York, äußerte 1937 volles Verständnis für Kollegen, die die jungfräuliche Empfängnis und die Auferstehung nicht als historische Tatsachen, sondern als „Darstellung spiritueller Wahrheit in Erzählungsform" betrachten. (nach Kent 1992) Seither haben sich solche Umdeutungen vervielfacht und sind inzwischen oft so vage, dass Peter Camley, Erzbischof von Perth, (Australien), sich über die „sehr bedeutende Anzahl" von Theologen beklagt, die sich so ambivalent über die Auferstehung äußem, dass es schwer fällt, ihren wirklichen Standpunkt auszumachen. (Carnley 1987)
Die zwanzig Theologen, die 1994 zum Symposium „The Resurrection“ beigetragen haben, illustrieren die Breite des Meinungsspektrums. Michael Goulder plädierte dafür, dass christliche Gelehrte unumwunden ihren Kirchen sagten, dass der Auferstehungsgeschichte eine zuverlässige Basis fehlt und deswegen kein ernsthaftes Studium verdient. Der Rezensent dieses Symposiums in der Zeitschrift Theology hätte es begrüßt, wenn einige der anderen Beiträge eben so klar ihren Standpunkt formuliert hätten, denn „es ist nicht immer leicht, herauszufinden was sie meinen". (Theology 1994)
Der Soziologe Steve Bruce schließt seine Untersuchung über den Stand der Religion in Großbritannien mit der Bemerkung: „Das Volk wird zunehmend säkular, indem es allmählich den Glauben an die spezifischen Lehren der christlichen Religion preisgibt, behält aber eine Vorliebe für vage religiöse Beteuerungen". (Bruce 1995) Solche Formulierungen finden großen Anklang bei Menschen, die sich nicht damit abfinden können, dass das Weltall dem Menschen und seinem Schicksal gleichgültig gegenübersteht.
Gegen solche Mäander protestierte Strauß in seinem letzten Buch „Der Alte und der neue Glaube“ (1872), das schon 1877 die neunte Auflage erreichte. „Wozu diese Umwege mit Dingen, die wir nicht mehr brauchen können", fragte er, denn "selten ist ein unglaubliches Faktum schlechter bezeugt" als Jesu Auferstehung, und „niemals ein schlecht bezeugtes unglaublicher gewesen". Es sei sehr zum Nachteil des Christentums, dass es so fest in diesem „Wahnglauben" verankert ist. Jesus hätte lehren können, was er gewollt hätte; das alles wäre weggeblasen worden, wenn diese Illusion es nicht erhalten hätte. Strauß war der Überzeugung, dass das Christentum in den „Kultur- und Industrievölkern“ nur auf Grund der Korrekturen bestehen bleibt, die eine säkuläre Vernunft an ihm vornimmt. Er fragte auch, mit welchem Recht wir das Fortleben eines Teils des Menschen nach seinem Tod postulieren, von dessen Existenz keine Spur wahrzunehmen ist. Die Geistesaktivitäten seien vom Gehirn abhängig und würden mit ihm im Alter schwächer. Er akzeptierte auch die Theorie Darwins und empfand es nicht als Demütigung, in den Pavian einen Verwandten zu erkennen.
Offenbar glaubte Strauß, dass die Dogmen der Kirchen die Entdeckungen des neunzehnten Jahrhunderts nicht überdauern würden. Aber er irrte sich, und der Religion war im zwanzigsten eine Wiederbelebung beschieden.
George A. Wells
April 2012
George Albert Wells ist emiritierter Professor für Germanistik an der Birkbeck University of London (ehemals Birkbeck College). Er hat viele Bücher zu den Ursprüngen des Christentums geschrieben, zuletzt Cutting Jesus Down to Size: What Higher Criticism Has Achieved and Where It Leaves Christianity (2009).
Literatur
- P.w. Schmiedel, P. W. (1899): in: Cheyne and Black, (Hrsg.): Encyclopaedia Biblica. 1899, Spalten 4050-4055.
- O'Collins, G. (2003): Easter Faith, London, S. 31.
- Werner, M. (1955): Der protestantische Weg des Glaubens. Bd. 1. Bern/Tübingen, S. 131.
- Elliott, J. K. (1982): Questioning Christian Origins, London, 1982, S. 84.
- M. Wiles (1974): The Remaking of Christian Doctrine. London, S. 138.
- Haenchen, E. (1968): Der Weg Jesu. Berlin, S.554.
- Küng, H. (1976): Christ Sein. Zürich, S. 351.
- Williams, R. (1982): Resurrection. Interpreting the Easter Gospel, London, 1982, S.33,83. Williams gibt auch zu, dass in Bezug auf die Auferstehung die Evangelien "ein monumental verwirrendes Durcheinander von unvereinbaren Erzählungen" bieten, die "alle das Merkmal von höchst raffinierter literarischer Bearbeitung tragen" (S.107,17). Sie seien "phantasiereiche Ansätze" zu einer Antwort auf die Frage, "was die Aussage bedeutete und noch bedeutet. Jesus lebe mit Gott und ist auch den Gläubigen gegenwärtig' (S. 1). Vgl. die Besprechung und Kritik von Williams in G.A. Wells, Can We Tnust the New Testament? Chicago 2004, S.190-194.
- Räisänen, H. (1987): Paul and the Law, 2. Auflage, Tübingen, 1987, S.233.
- Williams, R. (2007): Tokens of Trust. An Introduction to Christian Belief. Norwich, S. 58-68.
- Tuckett, C. M. (2001): Christology and the New Testament. Edinburgh, S. 66.
- Räisären, H. (2010): The Rise of Christian Beliefs. Minneapolis 2010, S. 375 n.144.
- Houlden, L. (1993): 'The Resurrection: History, Story and Belief .ln: Avis, P. (Hrsg.): The Resurrection of Jesus Christ. London. S. 61.
- Kent, J. (1992): William Temple, Cambridge, S. 181.
- Carnley, P. (1987): The Structure of Resurrection Belief. Oxford, S. 12.
- Theology (1995): Bd. 98, S. 305.
- Bruce, S. (1995): Religion in Modern Britain. Oxford, S. 51.