Para-Technik - Die 14. GWUP-Konferenz in Würzburg
Inge Hüsgen
Besucherrekord mit über 110 Teilnehmern,das ist Fazit der 14. GWUP-Konferenz, die vom 20. bis 22. Mai in den Würzburger Residenzgaststätten stattfand. Los ging's diesmal schon am Donnerstag, denn der bot sich als Feiertag geradezu an für ein populäres Programm, das auch Laien aus der Umgebung ansprechen sollte. Der Plan ging auf: Zusätzlich zu den „alten Hasen" ließen sich 60 Neugierige anlocken von Einsteiger-Themen wie Sinnestäuschungen und einem Workshop zum Löffelbiegen ganz ohne paranormale Kräfte. Sie sollten zum Abschluss des Tages auch die wohl spektakulärste Premiere dieser Konferenz erleben: Das Filmquiz zum Mitmachen. Bernd Harder hatte gemeinsam mit Stephan Matthiesen, Rainer Wolf und Martin Mahner Ausschnitte aus populären Spielfilmen vorbereitet - alle naturwissenschaftlich nicht ganz fehlerfrei. Durch den Abend führte Ralf Wambach. Hausgroße Riesenspinnen? Steinzeitmenschen im Kampf mit einem Dinosaurier? Spannend, keine Frage. Aber alles völlig unmöglich, wie die Zuschauer herausfanden. Denn die Beine der Riesen-Tarantel könnten ihr Körpergewicht gar nicht tragen. Außerdem wäre ihr Tracheensystem nicht effektiv genug, um ein so großes Tier mit genügend Sauerstoff zu versorgen. Und die Saurier waren zur Zeit der ersten Menschen schon seit rund 65 Millionen Jahren ausgestorben. Auch das reguläre Programm erwies sich als breit gefächert. Para-Technik war indes nur eine Facette. Zu diesem Gebiet gehört die von dem Tiroler Johann Grander entwickelte Technologie zur „Wasserbelebung". Dabei werden Stahlbehälter zunächst mit speziellem „Informationswasser" befüllt und in die Wasserleitung eingebaut bzw. ins Wasser getaucht. Das vorbeifließende Wasser, so die Idee, werde durch die Information des Granderwassers „belebt". Es schmeckt besser, hat aber auch eine stärkere Reinigungskraft und lässt Pflanzen besonders gut gedeihen, wie die Grander-Vertriebsfirma U. V. O. behauptet. Grander gilt inzwischen auch als hoch dekorierter Wissenschaftler, trägt er zahlreichen Medienberichten und der Homepage www.grander.de zufolge doch das „Silberne Ehrenzeichen" der Russischen Akademie der Wissenschaften. Außerdem wurde ihm das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen. Eine Diplomarbeit der TU Graz bescheinigt der Grander-Technologie zumindest eine Wirkung auf die Oberflächenspannung von Wasser. Der Wiener Zoologe Erich Eder hat all diese Behauptungen untersucht. Seine Ergebnisse demontieren den Mythos Grander Stück für Stück. So lassen sich begeisterte Anwenderberichte durch (Auto-) Suggestion erklären, die Spannungsänderung wurde bereits schlüssig auf die Verwendung eines Gardena-Gartenschlauchs in der Versuchsanordnung zurückgeführt.(s. Skeptiker 3/03, S. 98 - 100)Nicht einmal Granders „Silbernes Ehrenzeichen" der Russischen Akademie der Wissenschaften hielt Eders Recherche stand. Denn diese Institution verleiht gar keine solche Auszeichnung. Fündig wurde Eder erst bei der „Russischen Akademie der Naturwissenschaften", einem eigenfinanzierten Verein, der seine Ehrungen auch an wirtschaftlich erfolgreiche Personen vergibt - Grundlage für Granders österreichisches Ehrenkreuz, wie Eder weiter herausfand. In der Zwischenzeit hat U.V.O. gegen den kritischen Wissenschaftler und die GWUP Klage erhoben. Wie das Gericht entscheidet, bleibt abzuwarten. Den boomenden Anti-Aging-Markt betrachtete Prof. Dr. Manfred Stöhr, Direktor der Klinik für Neurologie und klinische Neurophysiologie am Klinikum Augsburg. Das Fazit seines populär gehaltenen Vortrags: Auch die modernen Präparate können den alten Traums vom Jungbrunnen nicht erfüllen. Dafür präsentierte Stöhr ein anderes, verblüffend einfaches Anti-Aging-Rezept: Einfach die sattsam bekannten Tipps für ein gesundes Leben befolgen. Wer bei seiner Ernährung tierische Fette sowie Lebensmittel mit hohem glykämischem Index meidet und statt dessen lieber zu Obst und Gemüse greift, ist schon auf dem richtigen Weg, so Stöhr. Außerdem empfiehlt er soziale Kontakte und moderaten Ausdauersport, wie Jogging, Wandern oder Radfahren. Regelmäßig betrieben, könne dieses Training die aktive Lebenszeit sogar um rund sieben Jahre verlängern. Stress allerdings sei möglichst zu vermeiden. Wichtig ist Stöhr zufolge auch die persönliche Bewertung des Altersprozesses. So plädiert er für einen gelassenen Umgang mit dem Unvermeidlichen, schließlich biete es auch viele positive Aspekte, wie das Heranreifen einer „Altersweisheit" und die Befreiung vom Zwang zur Attraktivität. Am Freitagabend gab es für die Teilnehmer wie immer Gelegenheit zu einem gemeinsamen Abendessen. Die Menükarte wurde dabei von „Hundini" gekonnt erzaubert, der verschiedene Anwesende „wie durch Zufall" dazubrachte, genau diejenigen Menübestandteile „paranormal" zu erraten, die dann später tatsächlich auf der Karte standen. Vor der verdienten Labsal wurde noch der Carl-Sagan-Journalistenpreis 2003 an Matthias Unterburg verliehen, den die GWUP für seinen Dokumentarfilm „Die UFO-Story" vergab. Wie Amardeo Sarma in seiner Laudatio hervorhob, ist diese Produktion, die bislang in verschiedenen dritten Programmen zu sehen war, ein gutes Beispiel dafür, wie man auch heute, in einer Zeit des unkritischen Sensationsjournalismus, noch sachlich-nüchterne und dennoch spannende Berichte zu ungewöhnlichen Themen machen kann.
Spannend sind auch die Erkenntnisse der modernen Hexenforschung. Von der öffentlichkeit werden sie dennoch kaum wahrgenommen, stehen sie doch im Schatten des esoterischen Hexenbooms mit seinen Ritualen für Wellness, Geld und Liebesglück. Dabei beziehen sich die „neuen Hexen" oft explizit auf die historischen Vorbilder - von denen sie allerdings völlig verzerrte Vorstellungen haben. Das zeigte der Münchner Ethnologe Stephan Bachter. So sähen sich viele von ihnen als Erbinnen der „weisen Frauen", Priesterinnen einer vorchristlichen Religion, die wegen ihres geheimen Wissens über Kräutermedizin und Verhütungsmittel gezielt von Kirche und patriarchaler Obrigkeit vernichtet worden seien. Insgesamt neun Millionen Hexen sollen Opfer dieser Verfolgungen geworden sein. Doch es gibt weder Hinweise auf eine Hexenreligion noch auf eine zentral gesteuerte Hexenjagd. Ausgangspunkt war das Modell der Ketzerverfolgung, und ein Viertel der Opfer im Deutschen Reich waren Männer. Übrigens sind die Hexenverfolgungen keineswegs Auswuchs des angeblich „finsteren Mittelalters". Im Gegenteil, noch in der mittelalterlichen Theologie galt der Glaube an Hexerei als Sünde. Erst in der frühen Neuzeit erreichten die europäischen Hexenprozesse ihren Höhepunkt. Die enorme Zahl von insgesamt neun Millionen Opfern wurde von der modernen Hexenforschung jedoch längst korrigiert, so Bachter. Entstanden ist sie aus einer verzerrenden Hochrechnung: Auf der Grundlage von Gerichtsprotokollen und Chroniken gehe man heute von etwa 60 000 bis 70 000 Hinrichtungen in ganz Europa aus, die meisten davon im Deutschen Reich. Insgesamt begrüßte Bachter das wachsende Interesse an den Hexenverfolgungen, denn es hat der historischen Forschung neue Impulse beschert und ein Stück Frauengeschichte ins Zentrum der Beachtung gerückt. Umso mehr bedauert der Referent, dass manche Anhängerinnen des Hexenglaubens die wissenschaftliche Arbeit mit historischen Quellen ausdrücklich ablehnen.
Die Biologin Andrea Kamphuis widmete sich in ihrem Vortrag dem Modell der morphischen Felder. Diese bilden sich nach Ansicht des britischen Biologen und Philosophen Rupert Sheldrake bei jedem physikalischen, chemischen und biologischen Selbstorganisationsvorgang, z. B. beim Lernen oder einem embryonalen Entwicklungsprozess. Sheldrake zufolge sind sie durchaus physikalisch real, allerdings weder energetischer noch stofflicher Natur. Räumlich wie zeitlich sollen sie sich ohne Abschwächung ausbreiten. Morphische Felder werden angeblich mit jeder Realisierung einer bestimmten Struktur verstärkt und tragen umgekehrt zur Erleichterung bzw. Beschleunigung von späteren vergleichbaren Prozessen bei. Über zwanzig Jahre nach Einführung des Begriffs erscheint Sheldrakes These jedoch noch immer vage, wie Kamphuis zeigte. Lassen sich in den ersten beiden Büchern (A New Science of Life, 1981; The Presence of the Past, 1988) durchaus Ansätze zu einer Theoriebildung entdecken, treten sie in späteren Publikationen sukzessive in den Hintergrund. Statt dessen präsentiert der Brite ein wahres Sammelsurium von Einzelfällen. Zur Erklärung zieht er nur vage Analogien heran: Morphische Felder erstrecken sich demnach wie Gummibänder quer durch Zeit und Raum. Was aber ist mit Sheldrakes Belegen für seine Annahme? Andrea Kamphuis hat exemplarisch mehrere davon geprüft. Ihr Fazit: Sheldrake kennt die neuere Forschungsliteratur nicht, ignoriert sie oder deutet sie in seinem Sinne um. So lassen sich die urplötzlichen Wendemanöver von Fischschwärmen erklären, ohne das Modell der morphischen Felder heranzuziehen. Zwar können auch manche geblendeten Tiere noch in Schwärmen mitschwimmen, wie Sheldrake korrekt schreibt. Durchtrennt man jedoch auch ihre Seitenlinienorgane, verlieren sie diese Fähigkeit: ein deutlicher Hinweis, dass das Verhalten von Fischschwärmen mit den bekannten Sinnen der Tiere erklärt werden kann. Auch Sheldrakes Bericht über einzelne Wölfe, die angeblich dank telepathischer Fähigkeiten zum Rudel zurückfinden, hält einer kritischen Recherche nicht stand. Seine Quelle, der Band „How Animals Talk" von William J. Long, erschien bereits 1919 und war wegen der unwissenschaftlichen psychologischen Interpretationen tierischen Verhaltens schon damals umstritten. In einem anderen Fall beruft sich Sheldrake auf eine Nummer des British Medical Journal - die indes weitgehend als Scherzausgabe konzipiert war. Über unterschwellige Wahrnehmung berichtete Wolfgang Hell, Professor für Psychologie an der Universität Münster. Dabei diskutierte er auch eine „normale" Erklärung für paranormale Erlebnisse. Denn es gibt Hinweise, dass unbewusste Wahrnehmungen tatsächlich existieren. So können selbst Reize unterhalb der Wahrnehmungsschwelle unsere Handlungen beeinflussen, ohne dass wir es bemerken. Ein ähnliches, wenn auch schwächer umrissenes Konzept hat M. A. Thalbourne mit dem Begriff Transliminalität bezeichnet. Transliminale Personen haben demnach einen stärkeren Glauben an Paranormales und berichten öfter über mystische Erlebnisse. Sie sind also, im Sprachgebrauch von Gertrude Schmeidler, „Schafe" (sheep), im Gegensatz zu „Ziegen" (goats), die paranormalen Phänomenen kritisch gegenüberstehen. Es gibt empirische Hinweise darauf, dass „Schafe" eher als „Ziegen" schwellennahe Reize als handlungssteuernd nutzen können. Experimente mit einem Vorreiz unter der bewussten Wahrnehmungsschwelle zeigen, dass Probanden bei handlungsrelevantem Vorreiz schneller auf den Hauptreiz regieren als bei neutralem Vorreiz. Dies zeigten die Psychologen Susan E. Crawley, Christopher C. French und Steven A. Yesson im Jahr 2002, (s. Skeptiker 1/03, S. 23) als sie bei einem ASW-Kartenexperiment am Computer ohne Wissen der Versuchspersonen in einigen Fällen Hinweise auf die folgende, zu erratende Karte gaben. Keiner dieser Vorreize konnte bewusst wahrgenommen werden, aber einige Probanden profitierten dennoch davon - ohne es zu bemerken. Es waren vor allem diejenigen, die an paranormale Phänomene glaubten. Hell: „Dass diese Menschen ihre persönlichen Erfahrungen als subjektiv überzeugende Evidenz für das Auftreten von Paranormalem deuten, lässt sich durchaus verstehen." Zum Abschluss bat Bernd Harder erneut vor die Leinwand. Diesmal illustrierte er mit Filmausschnitten seinen Vortrag „Düstere Legenden - Moderne Mythen und Großstadtsagen". Ausgewählt hatte er bizarre Vertreter des Genres, von Marilyn Mansons Teufelspakt bis zur unfreiwilligen Organspende. Um den Wahrheitsgehalt dieser Geschichten ging es dabei eher am Rande, im Mittelpunkt standen vielmehr emotionale Motive: Warum faszinieren uns solche Schauergeschichten? Und weshalb erzählen wir sie weiter - als „absolut wahre" Geschichten? Schön gruselig verpackt, sind die Wandersagen Spiegelbilder unserer Ängste, Wünsche und Vorurteile, so Harder. Diese implizite Moral arbeitete er im Dialog mit dem Publikum heraus. Z.B. bei der Sage vom Nierenklau, zu sehen in dem Film „Düstere Legenden", Teil 2: Ein Mädchen wird in einer Bar von einem Fremden angesprochen, der ihr ein Getränk spendiert. Sie verliert das Bewusstsein und wacht zu ihrem Entsetzen in einer fremden Badewanne auf. Doch es kommt noch schlimmer: An ihrem Körper stellt sie frische Operationsnarben fest. Die biedere Botschaft des knalligen Szenarios: Mädchen, halt Dich von Kneipen fern, und sei auf der Hut vor unbekannten Männern! Übrigens: Die nächste GWUP-Konferenz findet vom 5. bis 7. Mai 2005 satt. Die Planung dafür läuft schon auf vollen Touren.
Dieser Artikel erschien im "Skeptiker", Ausgabe 2/2004.